Daten sind das neue Öl. Doch was passiert, wenn sie veralten, verschwinden oder unbrauchbar werden? Während Nachhaltigkeit in der analogen Welt längst zur Selbstverständlichkeit wird, steht die digitale Welt vor einer wachsenden Herausforderung: Wie sorgen wir dafür, dass unsere digitalen Werkzeuge, Inhalte und Infrastrukturen dauerhaft nutzbar und gemeinwohlorientiert bleiben?
Digitale Nachhaltigkeit ist ein noch zu wenig beachteter Schlüsselbegriff für die Zukunftsfähigkeit unserer digitalen Gesellschaft. Es geht dabei um weit mehr als nur energieeffiziente Rechenzentren oder das Recycling alter Hardware. Es geht um den bewussten Umgang mit digitalen Ressourcen – strukturell, kulturell und rechtlich.
Was ist digitale Nachhaltigkeit?
Digitale Nachhaltigkeit beschreibt die Fähigkeit, digitale Wissensgüter – wie Software, Daten, Bildungsinhalte oder digitale Infrastrukturen – so zu gestalten, dass sie langfristig zugänglich, nutzbar, anpassbar und unabhängig bleiben. Grundlage sind offene Standards, transparente Lizenzen und eine verteilte Verantwortung.
Ziel ist es, digitale Gemeingüter zu schaffen, die nicht dem schnellen Wandel oder rein kommerziellen Interessen zum Opfer fallen, sondern Bestand haben – zum Nutzen künftiger Generationen.
Warum ist das Thema so wichtig?
Die Digitalisierung schreitet rasant voran – und mit ihr entstehen täglich neue Plattformen, Formate und Anwendungen. Doch vieles davon ist kurzlebig, abhängig von wenigen Anbietern und häufig nicht offen zugänglich. Wissen, das einmal digitalisiert wurde, geht oft genauso schnell wieder verloren, wenn Formate veralten oder Dienste eingestellt werden.
Digitale Nachhaltigkeit begegnet genau diesem Problem: Sie fordert, dass digitale Innovationen nicht nur effizient, sondern auch zukunftsfähig gedacht werden. Das betrifft Verwaltungen ebenso wie Unternehmen, Bildungseinrichtungen oder die Zivilgesellschaft.
Praxisbeispiele
- Open Source Software in der Verwaltung: Wenn Kommunen quelloffene Software einsetzen, schaffen sie langfristige Unabhängigkeit und können Lösungen gemeinsam weiterentwickeln – auch über Gemeindegrenzen hinweg.
- Open Educational Resources (OER): Lernmaterialien mit offenen Lizenzen ermöglichen lebenslanges Lernen und sichern den Zugang zu Bildung für alle.
- Nachhaltige Archivierung von Forschungsdaten: Wissenschaftliche Ergebnisse bleiben zugänglich, nachvollziehbar und wiederverwendbar – auch Jahre nach der Veröffentlichung.
Herausforderungen
Digitale Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer. Viele Projekte scheitern an fehlender Finanzierung, mangelndem Bewusstsein oder technischer Abhängigkeit. Besonders kritisch ist die Konzentration von Infrastruktur und digitalen Diensten auf wenige globale Konzerne – das mindert nicht nur die Souveränität, sondern auch die Nachhaltigkeit digitaler Lösungen.
Auch rechtlich bestehen Hürden: Urheberrechte, Lizenzbedingungen und Datenschutz müssen mit offenen und nachhaltigen Prinzipien in Einklang gebracht werden – ohne rechtliche Grauzonen.
Perspektiven und Lösungen
Was braucht es für mehr digitale Nachhaltigkeit?
- Offene Standards und Formate: Nur was offen dokumentiert ist, bleibt langfristig nutzbar.
- Technologische Unabhängigkeit: Durch Open Source und dezentrale Infrastrukturen lassen sich digitale Abhängigkeiten reduzieren.
- Verankerung in Strategien: Nachhaltigkeit muss Teil jeder Digitalstrategie werden – in der öffentlichen Verwaltung genauso wie in Unternehmen.
- Gemeinwohlorientierung: Digitale Projekte sollten nicht nur dem Profit dienen, sondern auch dem Zugang, der Bildung und dem gesellschaftlichen Fortschritt.
Fazit
Digitale Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema – sie ist Voraussetzung für echte Zukunftsfähigkeit. Wer Digitalisierung wirklich nachhaltig denkt, plant nicht nur in Zyklen von zwei Jahren und drei Softwareversionen, sondern setzt auf Werte: Transparenz, Offenheit, Teilhabe und langfristige Verantwortung.
Denn die digitale Welt von morgen entsteht schon heute. Und sie verdient es, nachhaltig gebaut zu werden.